STERN DER HOFFNUNG
Chormusik in Israel
Louis Lewandowski Festival 2018
Die Ursprünge der israelischen Chormusik
Die Wurzeln der israelischen Chormusik reichen weit zurück, noch vor die Gründung des jüdischen Staates. Bereits in den 1920er Jahren, während der Zeit des britischen Mandats in Palästina, legte der aus Russland stammende Shlomo Kaplan (1908–1974) den Grundstein für die Chormusik im Yishuv, der jüdischen Siedlung. Kaplan, einer der frühen Pioniere, etablierte die ersten Chöre in dieser Region und leitete sie selbst. Später wurde er Leiter der Musikabteilung des Histadrut, dem Dachverband der Gewerkschaften, und förderte den Chorgesang in landwirtschaftlichen Siedlungen. Zur gleichen Zeit erlebte Israel einen Zustrom von Komponisten, hauptsächlich aus Europa, die die musikalische Identität des neu entstehenden Staates prägten und ihre eigenen Kompositionsstile einbrachten. Viele von ihnen widmeten sich auch der Chormusik.
Die Vielfalt der israelischen Chormusik
Das Repertoire der israelischen Chormusik ist vielfältig und reicht von den frühen Anfängen des modernen Staates bis in die Gegenwart. Es umfasst Werke von Komponisten, die nach Israel ausgewandert sind, sowie von solchen, die bereits auf israelischem Boden geboren wurden. Ein Beispiel für eine jüngere Komposition ist Anna Segals Oratorium “Todesfuge” aus dem Jahr 2016, das den Opfern der Shoah und ihrer Großmutter Frida gewidmet ist. Die Komposition basiert auf Paul Celans gleichnamigem Gedicht, das das Grauen und den Tod in einem Konzentrationslager beschreibt. Dieses Werk feiert seine Weltpremiere beim Louis Lewandowski Festival und erinnert an den achtzigsten Jahrestag der Novemberpogrome von 1938.
Komponisten und ihre Werke
Die Gründung des Staates Israel brachte nicht nur Hoffnung, sondern inspirierte auch viele Komponisten. Paul Ben-Haim, ursprünglich Paul Frankenburger aus München, komponierte die “Fanfare to Israel” (1950) als Reaktion auf die Staatsgründung. Dieses beeindruckende Werk wird sowohl im Eröffnungskonzert als auch im Abschlusskonzert des Festivals in verschiedenen Arrangements aufgeführt. Ben-Haim und andere prominente Komponisten wie Mark Lavry und Mordecai Seter prägten die israelische Chormusik, indem sie westliche Formen mit musikalischen Elementen aus dem Nahen Osten und dem östlichen Mittelmeerraum kombinierten. Diese Synthese wurde zum Markenzeichen der Kunstmusik des modernen Israel.
Die nächste Generation und der Einfluss jüdischer Ethnien
Die nachfolgende Generation israelischer Komponisten fand eigene Wege in die Chormusik. Yehezkhel Braun, der sich intensiv mit hebräischem und gregorianischem Gesang beschäftigte, und Mordecai Seter, der orientalisch-jüdische Musik in seine Werke einfließen ließ, trugen wesentlich zur Weiterentwicklung bei. Seters Motette “Al naharot Bavel” (1950) ist ein Beispiel für die tiefgreifenden Einflüsse dieser Musiktraditionen. Auch Oedoen Partos, der in seinem Werk “Hamavdil” (1952) sephardische Melodien einsetzte, trug zur Vielfalt der israelischen Chormusik bei.
Israelische Chormusik im 21. Jahrhundert
Zum siebzigsten Jahrestag Israels präsentiert das Louis Lewandowski Festival eine breite Palette israelischer Chormusik. Von klassischen Werken bis hin zu populären und folkloristischen Melodien von Komponisten wie Naomi Shemer und Gil Aldema wird das reiche musikalische Erbe des Landes gefeiert. Auch zeitgenössische Komponisten wie Tsvi Avni und Avner Itai, ein führender Chordirigent in Israel, sind vertreten. Diese Werke spiegeln die fortwährende Entwicklung und die Vielfalt der israelischen Chormusik wider, die tief in den unterschiedlichen Traditionen des Judentums verwurzelt ist und bis heute eine lebendige Präsenz in der israelischen Kultur darstellt.
Prof. Dr. Tina Frühauf