Von Judith Kessler
*EXKURS BIERJUDEN
Bereits der Talmud kennt vier Biersorten (Pessachim 107a) und seit Alters her wird Bier als Ersatz für Wein auch bei der Hawdala akzeptiert. In deutschen Landen ist es seit dem Mittelalter äußerst beliebt. Juden durften es zwar da noch nicht brauen, aber sie hatten ihren Anteil an seinem Entstehen, da sie den notwendigen Hopfen (seit dem Reinheitsgebot von 1516 zwingend) anbauten und verkauften. So waren bis zur Nazizeit 70 Prozent der deutschen Hopfenindustrie jüdisch.
Herstellen durften Juden Bier in Deutschland eigentlich erst ab 1868. Der erste jüdische Baron in Bayern, Jakob von Hirsch, eröffnete dennoch schon 1836 in Burg Planegg die erste industrielle Bierbrauerei.
Der Münchner Moritz Guggenheimer wiederum gründete »Löwenbräu« und wurde mit der Idee, die Schiene als Transportmittel zu nutzen, der größte Brauer Deutschlands (bis Löwenbräu arisiert wurde). Und Samuel Liebermann aus dem bayrischen Aufhausen führte 1850 mit »Rheingold Beer« den »deutschen« Geschmack in den USA ein. Lechaim!
**EXKURS KOSTÜMJUDEN
Das Dirndl war im Süden ursprünglich das Arbeitskleid junger Bauernmägde – ein einfaches Trägerkleid mit Schürze. Dass es so wie die Lederhose zur Volksmode wurde (und siehe Oktoberfest immer noch ist) haben wir zwei jüdischen Brüdern zu verdanken. Moritz und Julius Wallach, die Söhne einer Blaufärbertochter und eines Getreidehändlers aus Bielefeld, waren nach München gezogen und hatten hier im Jahre 1900 das Volkskunsthaus Wallach gegründet.
1906 brachte dann Julius Wallach aus dem Brixental in Tirol ein Trachtenkostüm mit, aus dem sein Bruder zusammen mit einer Directrice das »Dirndl« als Volkstracht entwickelte. Nachdem Prinzessin Marie Auguste von Anhalt, die Schwiegertochter von Wilhelm Zwo, das erste seidene Dirndl bei einer Festivität in Paris getragen hatte, begann auch der internationale Siegeszug der Tracht. 1911 staffierten die Wallachs das Jubiläums-Oktoberfest komplett mit Trachten aus. Der Name Wallach wurde zum Synonym für bayerischen Kleidungsstil. Und spätestens als das von den Wallachs mit Kostümen ausgestattete Singspiel »Im weißen Rössl« 1930 zum Dauerbrenner auf deutschen Operettenbühnen wurde, war auch die Dirndl-Mode bis in die letzten Ecken des Deutschen Reiches vorgedrungen.
Die Machtübergabe an die Nationalsozialisten wirkte sich zunächst nicht aufs Geschäft aus. Auch Nazi-Bonzen und der BDM standen auf Wallach-Produkte, und sogar Hitlers Berghof soll mit Stoffen von Wallach dekoriert worden sein. Doch 1938 war end- gültig Schluss. Die Firmengründer Moritz und Julius emigrierten in die USA; ihr Volkskunsthaus war »entjudet«, das Unternehmen »arisiert« worden. Zwei ihrer sieben weiteren Geschwister wurden in Theresienstadt ermordet, die anderen konnten ebenfalls fliehen bzw. waren »rechtzeitig« gestorben.
*** EXKURS DAVIDSTERN
Wo es um Brauereien und Bier geht, ist auch der Magen David nicht weit. Eigentlich hat der Davidstern, der auf vielen Brauereischildern in Süddeutschland zu sehen ist, nichts mit dem jüdischen Symbol zu tun. Trotzdem verschwand er in der Nazi-Zeit zumeist zugunsten eines fünfzackigen Sterns, weil man etwas jüdisches mit ihm verband und in mancher Literatur bis heute mit ihm verbindet.
Doch das Zunftzeichen der Brauer, der sogenannte Zoiglstern oder Bierzoigo, symbolisiert mit seinen zwei ineinander gesteckten Dreiecken sehr wahrscheinlich die am Brauen beteiligten Elemente Feuer, Wasser und Luft bzw. Wasser, Malz und Hopfen (Hefe wurde im Mittelalter noch nicht verwendet). Zugleich war das Hexagram immer ein Zeichen der Alchemie und ein Schutzsymbol gegen Dämonen und Feuer. Und Brände gab es in den mittelalterlichen Städten reichlich, vor allem in Mälzereien und Brauereien, wo mit offenem Feuer hantiert wurde – so dass der Stern auch die Funktion eines Abwehrzeichens gegen das Feuer hatte. Die älteste bisher bekannte Darstellung eines Brauersterns stammt aus dem Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung von 1425, früher kennzeichnete er die Orte, oft auch Klöster, an denen Bier gebraut werden durfte oder an denen Bier aus- geschenkt wurde, schließlich konnten die wenigsten Menschen lesen.