Festivaldirektor Nils Busch-PetersenBereits zum 9. Mal laden Sie zu diesem einzigartigen Festival jüdischer Synagogalmusik ein. In diesem Jahr zieht Louis die Lederhosen an?

Louis, unser Maskottchen, sieht doch sehr chic aus in Lederhosen mit seiner  Festival-Kippa. Aber zum Thema. Mit dem Festival sind wir in den vergangenen Jahren den Spuren jüdischer Musik nach Osten und nach Westen in die USA gefolgt. Wir konnten jüdische Musik aus dem italienischen Barock und der Renaissance zu Gehör bringen. Dieses Jahr widmen wir den weniger bekannten Komponisten im süddeutschen Raum, etwa aus Fürth, Mannheim, Wiesbaden und vor allem München, die im Schatten der berühmten Reformer stehen.

Was verstehen Sie unter im Schatten stehen?

Wir denken immer zuerst an Louis Lewandowski in Berlin, an Salomon Sulzer in Wien und Naumbourg in Paris, dabei gibt es jenseits der Zentren auch eine hörenswerte Entwicklung in Süddeutschland, wo seit Ende des 17. Jhd. florierende Gemeinden existieren. Wir werden fast 200 Jahre abbilden, von den Anfängen bis zu den Komponisten des frühen 20. Jahrhunderts.

Auf was freuen Sie sich dieses Jahr besonders?

Dass wir einige Stücke aufführen werden, die zum Teil seit Jahrzehnten nicht mehr in Deutschland zu hören waren, so zum Beispiel „Balak und Bilam“ von Hugo Adler bei der Eröffnung in der Potsdamer St. Nikolaikirche. Wir werden auch zwei Lieder von Paul Ben-Haim aufführen. Paul Ben-Haim, als Paul Frankenburg geboren, hatte in seinem Testament die Vernichtung seiner Werke aus seiner deutschen Zeit angeordnet und nur durch einen Glücksfall sind diese Stücke in den Archiven erhalten geblieben.

Welche Komponisten werden wir noch hören?

Wir zeigen viele Entwicklungen jüdischer Musik auf, von den Zeitgenossen Louis Lewandowskis – wie Maier Kohn und Israel Meyer Japhet bis zu den Komponisten des innovativen frühen 20. Jhd., wie etwa Heinrich Schalit, dessen Hauptwerk, die wegweisende, 1932 in Berlin uraufgeführten „Freitagabend-Liturgie“ zur Aufführung kommt. Zu dieser Generation gehören aber auch Emanuel Kirschner und Hugo Adler oder Jakob Schönberg, ein entfernter Verwandter des berühmten Arnold Schönberg, die teilweise vergessen waren.

Sie präsentieren in Berlin und Potsdam sechs Ensembles aus vier Nationen, darunter auch den berühmten Moran-Chor aus Israel. Was macht diesen Chor so einzigartig?

Wir freuen uns sehr, denn tatsächlich ist dies einer der renommiertesten Jugendchöre der Welt. In ihm vereinen sich die Faszination für Chormusik und gesellschaftliches Engagement: Unter den 40 jungen Sängern im Alter zwischen 12-18 Jahren singen auch benachteiligte Jugendliche, die so ein Gefühl von Gemeinschaft und Gleichberechtigung erfahren – ein beispielhaftes Projekt.

Aber natürlich möchte ich an dieser Stelle auch auf die anderen Chöre verweisen, wie etwa den „Zamir Chorale of Boston“, die uns schon dreimal beehrt haben, unter dem legendären Joshua R. Jacobson. Den „Baruch Brothers Choir“, der als der älteste noch existierende jüdische Chor der Welt gilt. Die A-Cappella- Stars vom „Jerusalem Academy Chamber Choir“ und natürlich unsere Lokalmatadore das „Synagogal Ensemble Berlin“ unter der Leitung von Regina Yantian, unserer künstlerischen Leiterin. Sie ist eine begeisterte Schatzsucherin vergessener Stücke und Komponisten.

Vor wenigen Wochen erst mussten wir einen tödlichen Anschlag auf die Synagoge der Stadt Halle erleben. Sie werden dort mit dem Festival ein Konzert geben?

Der Anschlag geschah ausgerechnet am Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag.
Wir werden uns Hass, Hetze und Gewalt nicht beugen. Wir halten zusammen und zeigen unsere Solidarität mit den Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde in Halle sowie den Opfern des Anschlags. Mit unserem Konzert in Halle zeigen wir ganz deutlich, dass jegliche Form von Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass in unserer Gesellschaft keinen Platz hat. Unser Konzert ist ein unmissverständliches Zeichen gegen Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit und ein Geschenk jüdischer Tradition und Geschichte an Halle und seine jüdische Gemeinde.