Lewandowski – Eine Huldigungskantate

I. Ouverture
II. Tow l’hodoss (Kantor & Chor)

Lewandowski − Der Osteuropäer

III. Ki k´schimcho (Kantor & Chor)

Lewandowski − Ein junger weltlicher Komponist

IV. In deinem Arm (Sopran)
V. Wiegenlied (Sopran)

Lewandowski − Erneuerer und Chorleiter

VI. Zaddik kattomor (Chor)
VII. Psalm 144 & 67 (Kantor & Chor)
VIII. Psalm 21 (Kantor & Chor)

Lewandowski − Ehemann und Vater

IX. Segne, Allmächtiger, segne dieses Paar (Chor)
X. Zu dir, o Herr (Chor)

Lewandowski − Der Reformer

XI. W‘hakkohanim (Kantor & Chor)
XII. Deutsche Keduscha

Lewandowski − Für die Ewigkeit

XIII. Enosch (Chor)
XIV. Psalm 121 (Kantor & Chor)

Lewandowski − Der Osteuropäer

Louis Lewandowski kam am 1. Nissan des Jahres 5581, als Eliezer zur Welt und zwar in Wreschen, in der Provinz Posen. Diese jüdische Gemeinde gehörte einst zu den größten in Südpreußen, wurde aber im Zuge der Verfolgungen im 17. Jahrhundert schwer dezimiert. Zur Zeit Lewandowskis waren immerhin die Hälfte der über 1200 Einwohner Juden; sie sprachen Jiddisch und folgten ihrer osteuropäischen Tradition. Lewandowski wuchs in einfachen Verhältnissen auf, seine Mutter Malka starb früh, sein Vater Abraham (1778-?) war gerichtlicher Übersetzer, wirkte aber auch als Rabbinatsassessor und Vorbeter an bestimmten Feiertagen; von seinen Brüdern sollten Hermann (1816-1890) und Jakob (1811-1890) Kantoren in Hamburg and Halle werden. Lewandowskis erste musikalische Unterweisung war als Meschorer, als einer von zwei den Kantor begleitenden Hilfssängern.

Hören Sie nun eine der wenigen Kompositionen von Louis Lewandowski, die er im Stil der osteuropäischen Synagogalmusik schrieb.

Lewandowski − Ein junger weltlicher Komponist

Wie viele andere von Armut gezeichnete Ostjuden, wanderte Lewandowski 1833, im Alter von 12 Jahren, in die preußische Hauptstadt Berlin, besuchte dort die Schule und wirkte als Meshorer unter Kantor Ascher Lion in der Synagoge Heidereutergasse. Lewandowski zeigte sich als musikalisch äußerst talentiert. Er spielte Geige und Klavier und lernte die Grundlagen der europäischen Kunstmusik. Mit Hilfe von Alexander Mendelssohn, einem Enkel des großen Religionsphilosophen Moses Mendelssohn, konnte er als erster Jude an der Akademie der Künste studieren. Damit begann er auch weltliche Kammermusik zu komponieren, die leider immer noch größtenteils als verschollen gilt. Für eine während dieser Zeit komponierte Kantate erhielt er gar einen Kompositionspreis; und seine Sinfonie wurde in der Sing-Akademie unter seinem Dirigat aufgeführt.

Hören Sie nun zwei Lieder aus seinem Opus 1.

Lewandowski − Erneuerer und Chorleiter

1840 wurde Lewandowski von der Jüdischen Gemeinde als Chorleiter eines neu eingerichteten vierstimmigen Männerchores an der Synagoge Heidereutergasse angestellt—eine Gelegenheit, die Musik der Synagoge mit dem zeitgenössischen Stil der Romantik zu vereinen. Hierzu holte er sich Inspiration von Salomon Sulzer in Wien. Lewandowskis Neuerungen wurden jedoch von Kantor Ascher Lion kaum angenommen. Lewandowski orientierte sich in seinen Kompositionen zunächst an der liturgischen Tradition der Alten Synagoge und auch an den osteuropäischen Melodien, die der 1845 neuangestellte Kantor Abraham Lichtenstein aus Stettin mit sich brachte.

Hören Sie nun Zaddik kattomor sowie einige Psalmvertonungen [144 + 67 / Psalm 21]

Lewandowski − Ehemann und Vater

1859 heiratete Lewandowski Helene Wertheim (1829-94), die als musikalisch begabt galt und wohl sang. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: Alfred (1864-1931), der Arzt wurde und das Sanatorium Hygiea in Berlin etablierte, war ausserdem ein ausgezeichneter Geiger. Und Martha (1860-1942), die im Alter von 16 Jahren ihren um viele Jahre älteren Hauslehrer heiratete—das war der Philosoph Hermann Cohen, Begründers der „Marburger Schule“ des Neukantianismus und leidenschaftlicher Verfechter einer deutsch-jüdische Symbiose.

Louis Lewandowski hat 3 Hochzeitsmusiken für Chor geschrieben. Hören Sie nun Auszüge aus einer von ihnen.

Lewandowski − Der Reformer

Ab den sechziger Jahren war das berufliche Leben Lewandowskis eng mit der großen, prunkvollen Neuen Synagoge in der Oranienburgerstraße verknüpft, einem Bau, der ein selbstbewusstes jüdisches Bürgertum repräsentieren sollte. Hier entstand eine Liturgie, in der auch in der Landessprache Deutsch gebetet wurde. Neu war auch die Einführung eines gemischten Chores und einer Orgel. Die Einführung des Instruments wurde heiß debattiert und Lewandowski beteiligte sich 1862 mit einem Gutachten an der Entscheidungsfindung. Er plädierte für die Orgel als bestmögliche Stütze für den neu eingeführten Gemeinde- und Chorgesang, und begründete dies damit, dass allein die Orgel im Stande sei, „große Massen in großen Räumen zu beherrschen und zu leiten“. Mit der Einweihung der Neuen Synagoge 1866 wurde auch eine der damals größten Orgeln in Berlin eingeweiht. Lewandowski schrieb einige Orgelwerke und band die Orgel auch anderweitig in die Liturgie mit ein. Für das zentrale Gebet des höchsten jüdischen Feiertags, Jom Kippur, setzte er ein Gebet, in dem die Orgel die normalerweise vom Kantor gesungene traditionelle Gebetsweise, Nussach, spielt.

Hören Sie nun W’hakkohanim und anschließend die Deutsche Keduscha, ebenfalls am Jom Kippur gesungen.

Lewandowski − Für die Ewigkeit

In den beiden großen Sammlungen Kol Rinnah u’T’fillah (Stimme der Verehrung und des Gebets, 1871) und dem zweibändigen Todah W’simrah (Dank und Gesang, 1876 und 1882), findet sich Lewandowskis Musik zu allen Gebeten an Schabbat und Feiertagen. Daneben existieren auch patriotische Werke, die zur selben Zeit entstanden. Lewandowski war aber nicht nur Komponist, sondern bildete auch Kantoren aus, war Gesangslehrer und Dirigent der Vereinigten Synagogenchöre Berlins. Sein Engagement für die Musik der Synagogen Berlins und Deutschlands sowie die Tonkunst allgemein, wurden mit den Ehrentiteln „Königlicher Musikdirektor“ sowie dem Professorentitel durch die Akademie der Künste gewürdigt.

»Liebe macht das Lied unsterblich!« steht auf dem Grabstein, den die Kinder den „geliebten Eltern“ in der Ehrenreihe des Friedhofes der Jüdischen Gemeinde in Berlin-Weißensee setzen ließen. Es gibt sicherlich kein treffenderes Summarum für Lewandowskis Lebenswerk. Dies wurde bereits zu seinen Lebzeiten erkannt und von Leopold Zunz, dem Begründer der Wissenschaft des Judentums 1865 zu Ehren von Lewandowskis 25jährigem Amtsjubiläum in folgende Worte gefasst:

»Denn gleichwie die Töne eine Empfänglichkeit, die Hymnen eine Ueberzeugung voraussetzen, ebenso setzt der Gottesdienst einen Glauben, eine Liebe voraus. Der Gesang wird ein Vermittler zwischen Dichter und Zuhörer, wenn der Gottesdienst der Vermittler bleibt zwischen den sich ablösenden Generationen.… Um also für uns und die Unsrigen werthvolles aus dem Gotteshause herauszunehmen, müssen wir etwas hineintragen von Gedächtniss und Wissen, von Gesinnung und Liebe. Das wird die rechte Anerkennung für den Mann sein, dessen Compositionen ernste Regungen in uns wecken, Regungen, die auch ernste Vorsätze erzeugen sollen.«

Zum Abschluss hören Sie nun das Stück „Enosh“ mit Versen aus Psalm 103, Teil des Totengedenkens, eines von Lewandowskis berühmtesten Stücken; sowie die Vertonung des Psalm 121, mit dem wir Sie segnen möchten.