Interview mit Nils Busch Petersen zum 10. Louis Lewandowski Festivals 2020

mit dem Louis Lewandowski Festival Magazin

LLF Magazin: Vorab, erstmal Gratulation zum Jubiläum. Es ist das 10. Louis Lewandowski Festival. Wie haben sie auf die erschwerten Bedingungen durch Corona im 10. Jahr reagiert?

NBP: Uns war im Verlauf des Jahres schon früh klar, dass wir nicht auf Gastchöre und Gastmusiker setzen können. So haben wir uns entschieden, aus der Not eine Tugend zu machen und aus dem reichen Berlin Angebot zu schöpfen. Ferner haben wir uns intensiv darum gekümmert unser Festival zu digitalisieren, also verstärkt die Online-Kanäle zu bespielen und unsere Konzerte online erlebbar zu machen.

LLF Magazin: Wie und mit wem konnten sie die ausbleibenden internationalen Gäste der vergangenen Jahre, wie z.B. aus Israel, Südafrika, Polen, Serbien, den USA aber auch Kanada, Frankreich und der Schweiz ersetzen?

NBP: Berlin ist ein sehr internationaler Ort und das ganz besonders im Bereich der Musik. Kurz gesagt, wir haben ein sehr hörenswertes Festivalprogramm auf die Beine gestellt. Neben den Berliner Symphonikern, dem Synagogal Ensemble Berlin und Saxofon Quadrat freue ich mich in diesem Jahr besonders auf ein Streichquartett, dass sich extra für das Festival konstituiert hat. Aber ich möchte an dieser Stelle auch unbedingt die Solisten herausheben, unter ihnen Kantor Isaac Sheffer, Bariton Gabriel Loewenheim, die Sopranistin Yasmine Levy-Ellentuck, Kantor Isidoro Abramowicz und Jürgen Geiger an Klavier und Orgel, die uns alle seit Jahren treu begleiten.

LLF Magazin:  Dieses Jahr steht das Festival unter der Überschrift „Limited Edition“. Das klingt nicht nach einem musikalischen Motto?

NBP: In erster Linie bedeutet „Limited Edition“, dass wir die Anzahl von Konzerten reduzieren mussten und – wie wir seit einigen Tagen definitiv wissen – leider keine Besucher zu unseren Konzertstätten zulassen dürfen. Vor allen Dingen heißt das auch, dass wir eben auch aufgrund von Corona-Maßnahmen keine Chöre und Musiker aus aller Welt einladen konnten.

LLF Magazin: Was ist der musikalische Leitfaden des diesjährigen Festivals?

NBP: „Limited Edition“ bedeutet, dass wir uns auf das wichtigste Anliegen unseres Namenspatron Lewandowskis konzentrieren, die jüdische Liturgie. Sowohl im Eröffnungskonzert mit verschiedensten Vertonungen des „Adon Olam“ als auch im Abschlusskonzert mit Kompositionen auf der Basis von Schabbatgebeten aus dem Abend- und Morgengottesdienst. Jeweils vertont durch Komponisten aus verschiedenen Epochen. So werden diese beiden Konzerte zu einer musikalischen Reise durch die jüdischen Zentren Europas zu unterschiedlichen Zeiten.

LLF Magazin: Im vergangenen Jahr gab es eine Uraufführung, ­­­nämlich Anna Segals „Todesfuge“. Wird es in diesem Jahr etwas Vergleichbares geben?

NBP: Aber sicher. Im Rahmen der Eröffnung in Potsdam erwartet das Publikum die deutsche Uraufführung des Oratoriums „Shacharit“, einem Werk der bekannten israelischen Komponistin Ella Milch-Sheriff. Aufgeführt vom Kammerorchester der Berliner Symphoniker dem Synagogal Ensemble Berlin und weiteren Solisten.

LLF Magazin: Um auf das Jubiläum zurückzukommen. Wenn sie auf die ersten 10 Jahre des Festivals zurückschauen, auf was sind sie besonders stolz

NBP: Wir konnten in den vergangenen Jahren über 40 Chöre aus vielen Ländern und fast allen Kontinenten einladen und so eine reiche und vielstimmige jüdische Musikkultur in Berlin erlebbar machen. Das dürfte weltweit einzigartig sein und ich wage zu behaupten, dass wir einen Beitrag zur Bewahrung und zum Weiterleben dieser Traditionen leisten konnten. Hinzu kommt, dass das Festival Juden und Nichtjuden aus aller Welt zusammen und so einander näher gebracht hat.

LLF Magazin: Was hat sie persönlich in den Jahren auf dem Festival am meisten beeindruckt? Gab es den besonderen Moment?

NBP: Es gab über die Jahre eine Vielzahl von berührenden Momenten und Begegnungen. Unvergessen sind für mich Begegnungen und Gespräche, Umarmungen mit Überlebenden der Shoah und deren Angehörigen, mit Menschen, die das erste Mal in die Stadt gekommen waren, von der der Holocaust ausging und in die sie eigentlich nie im Leben reisen wollten. Ein besonders bewegender Moment: als vor zwei Jahren im 70. Jahr der Gründung Israels alle Chöre und Besucher beim Abschlusskonzert die Hatikva angestimmt haben.

LLF Magazin: Außer auf dem Festival, wo kann man die Musik des Festivals noch hören?

NBP: Da kann ich nur auf unsere kleine DVD-Reihe der Abschlusskonzerte verweisen, die wir über die Jahre veröffentlicht haben. Dabei handelt es sich stellenweise um echte Raritäten. Auch auf dem YouTube Kanal vom Festival finden sie viele schöne Stücke, darunter auch die Uraufführung der Todesfuge im Rahmen des letztjährigen Eröffnungskonzerts.

LLF Magazin: Stand beim Festival immer mehrheitlich die Musik Lewandowskis, dem Zeitgenossen von Mendelsohn-Bartholdys im Mittelpunkt?

NBP:  Lewandowskis und die beiden anderen frühen Reformer der der jüdischen musikalischen Liturgie Salomon Sulzer und Samuel Naumburg waren immer die Fixpunkte aber musikalisch haben wir uns der jüdischen Musik in Barock und Rokoko ebenso zugewendet wie zeitgenössischen Kompositionen bis hin zu Uraufführungen. Wir haben der osteuropäischen „Chorschul“ Gehör verschafft und sind den Exilkomponisten nach Westen und in die neue Welt gefolgt.

LLF Magazin: Herr Busch-Petersen, eine letzte Frage. Wie geht´s es weiter? Was für ein Motto wird das Festival im nächsten Jahre haben?

NBP: Es geht weiter und im kommenden Jahr feiern wir Louis Lewandowskis 200. Geburtstag. Da ist natürlich Party angesagt.