Prof. Dr. Tina Frühauf über Festival Thema 2019

Prof. Dr. Tina Frühauf über das diesjährige Louis Lewandowski Festival Thema: Es widmet sich der weitläufigen und vielfältigen Chormusiklandschaft Süddeutschlands, von den bescheidenen Anfängen der 1830er Jahre bis zu den frühen 1940er Jahren, geschaffen von Komponisten aus dieser Region die sich unter anderem auch der Synagogalmusik widmeten.

Dr. Dietmar WoidkeDas diesjährige Louis Lewandowski Festival widmet sich der weitläufigen und vielfältigen Chormusiklandschaft Süddeutschlands, von den bescheidenen Anfängen der 1830er Jahre bis zu den frühen 1940er Jahren, geschaffen von Komponisten aus dieser Region die sich unter anderem auch der Synagogalmusik widmeten. Dieses Repertoire ist nicht einfach zu fassen. Geografisch gesehen umschlieβt Süddeutschland den unteren Teil der mitteldeutschen Bergschwelle, inklusive der Länder Bayern und Baden-Württemberg sowie dem südlichen Rheinland-Pfalz und Hessen südlich des Mains. Politisch und kulturell sind Südhessen, Rheinhessen und die Pfalz jedoch nur bedingt einzubeziehen. Um nationale und politische Grenzen zu respektieren, wurden Werke von Komponisten aus Österreich und Südtirol ausgeklammert, obwohl Einflüsse und Zusammenhänge offensichtlich sind, wie man der Musik selbst entnehmen kann. Einige mögen an die Werke von Salomon Sulzer erinnern. Später dann hinterließ auch Lewandowski in Süddeutschland seine Spuren, vor allem mit seinen Kompositionen für die Synagoge in Nürnberg.

Ende des 17. Jahrhunderts gründeten sich jüdische Gemeinden

Sicherlich geht die Geschichte der Synagogalmusik in dieser Region diesen Namen weit voraus, reicht doch die erste bekannte jüdische Siedlung in Süddeutschland in das Jahr 906 zurück (dokumentiert in der Mautverordnung von Passau, der drei-Flüsse Stadt, die strategisch an den Handelsrouten nach Ungarn, Südrussland und Nordostdeutschland lag). Doch erst Ende des 17. Jahrhunderts gründeten sich jüdische Gemeinden, die von dauerhafter Präsenz sein sollten, dar- unter Fürth und Ansbach, die beide für ihre Musikpraktiken bekannt sind.

Einfluss auf musikalische Praktiken und Ausdrucksformen

Im Laufe des 19. Jahrhunderts begann die jüdische Bevölke- rung, auf die gewaltigen Veränderungen und Entwicklungen, die Mitteleuropa ergriffen zu reagieren: Emanzipation und Akkulturation, Reformbewegung, Zionismus und zunehmen- der Antisemitismus – diese nahmen Einfluss auf musikalische Praktiken und Ausdrucksformen. Und es war zu Beginn dieser Entwicklungen, dass synagogale Chormusik entstand – und zwar in München.

Pionier Maier Kohn

Zu den frühen Pionieren gehörte der im mittelfränkischen Schwabach geborene Maier Kohn (1802-1875), der von 1825 bis zu seinem Tod als Pädagoge, Kantor und musikalischer Innovator an der Münchner Synagoge in der Westenrieder Straβe tätig war. Diese Synagoge, die sich an die entstehen- de Reformbewegung anlehnte, begrüßte Kohns Gründung eines gemischten Chores im Jahr 1832. 1839 veröffentlichte Kohn dann die erste moderne Sammlung von synagogaler Chormusik, die so genannten Münchener Synagogengesänge. Für diese Anthologie rekrutierte er einige der bekanntesten Münchner Musiker, die ihm bei der Gestaltung der Musik halfen. Sein „En komocho“ und „Seu simrah“ sind die ersten Zeugnisse für ein den Hazzan begleitendes Trio.

Mit Kohns Werk begann die Entwicklung von Chormusik

für den jüdischen Gottesdienst, die traditionelle Melodien präservierte, transformierte und erneuerte oder sich gar von ihnen abwendete. Diese unterschiedlichen Herangehenswei- sen können während des Festivals auch im „Howu la ́adonoj“ von Max Löwenstamm (1814-1881), einer Vertonung von Psalm 29 aus Semiroth leel chaj – Synagogen-Gesänge (1882) sowie in den zwischen 1898 und 1926 veröffentlichten Stücken aus Emanuel Kirschners Sammlung SynagogenGesänge nachvollzogen werden. Beide standen als Kantoren und Chorleiter in der Nachfolge von Maier Kohn. Während Kirsch- ner (1857-1938) in die Fußstapfen von Louis Lewandowski trat und dessen Stil befürwortete, kehrte sich Heinrich Schalit (1886-1976), Organist an der gleichen Synagoge in München, vom Stil des 19. Jahrhunderts ab und suchte neue Ausdrucks- formen jüdischer Identität.[/vc_column_text][/vc_column][vc_column width=“1/6″][/vc_column][/vc_row]