Auf das Repertoire des 16. und frühen 17. Jahrhunderts spezialisiert, hat sich das Ensemble Profeti della Quinta zum Ziel gesetzt, für ein heutiges Publikum lebhafte und ausdrucksstarke Aufführungen zu schaffen. Insbesondere wird das durch den Einbezug der Aufführungspraxis der jeweiligen Zeit erreicht.

Das Ensemble wurde in Galiläa, Israel, von Elam Rotem gegründet. Es ist derzeit in Basel, Schweiz, ansässig, wo seine Mitglieder weiterführende Studien an der Schola Cantorum Basiliensis absolvierten. 2011 gewann das Ensemble Profeti della Quinta den York Early Music Young Artists Competition und hat seitdem Konzertreisen in Europa, Nordamerika, Japan, China und Israel unternommen. Das Ensemble trat bei prestigeträchtigen Festivals und Spielstätten auf, wie z.B. beim Oude Muziek Festival Utrecht, dem Beethovenfest Bonn, dem London Festival of Baroque Music, der Shanghai concert hall und dem Metropolitan Museum of Art in New York. Im November 2017 gestaltete das Ensemble die Uraufführung von Monteverdis Oper L’Orfeo in Israel.

Das Ensemble nahm bislang zwei CDs mit Musik des frühbarocken jüdisch-italienischen Komponisten Salomone Rossi auf, die bei Publikum und Kritik gleichermaßen auf ein positives Echo stießen. Weitere Aufnahmen sind Orlando di Lassos Bußpsalmen, Motetten und Madrigalen von Luzzasco Luzzaschi, das Manuskript des Carlo G (Diapason d’Or) und eine Sammlung ausgewählter Madrigale (Amor, Fortuna et Morte). Außerdem haben die Profeti della Quinta zwei Werke uraufgeführt und aufgenommen, die Elam Rotem eigens für das Ensemble komponierte: Rappresentatione di Giuseppe e i suoi fratelli und Quia amore langueo. Darüber hinaus werden die Profeti della Quinta im Dokumentarfilm Hebreo: The Search for Salomone Rossi von Joseph Rochlitz präsentiert, der im italienischen Mantua gedreht wurde.

www.quintaprofeti.com

Joseph und seine Brüder / Elam Rotem

Biblibisches Oratorium in drei Akten

Profeti della Quinta
Doron Schleifer: Countertenor I
David Feldman: Countertenor II
Lior Leibovici: Tenor I
Jacob Lawrence: Tenor II
Elam Rotem: Bass, Cembalo und Leitung

Ori Harmelin: Chitarrone
Filipa Meneses: Lirone
Aki Noda: Orgel

Lathika Vithanage: Violine I
Sonoko Asabuki: Violine II
Anna Danilevskaia: Viola da gamba I
Giovanna Baviera: Viola da gamba II
Leonardo Bortolotto: Violone
Alon Sariel: Theorbe

Joseph und seine Brüder

„Tief ist der Brunnen der Vergangenheit“
(aus Thomas Manns Tetralogie „Joseph und seine Brüder“)

„Joseph und seine Brüder“ (im Folgenden genannt „Joseph“) ist ein biblisches Musikdrama in drei Akten, komponiert im Geiste der frühen Oper. Das Werk wurde speziell für das Ensemble „Profeti della Quinta“ geschrieben und ist für fünf Singstimmen, Instrumente und Basso continuo gesetzt. Es erzählt die Geschichte von Joseph und seinen Brüdern, eine der anrührendsten Geschichten des Alten Testaments, hierbei wird der originale Text in biblischem Hebräisch vertont.
„Aufführungspraxis“ bedeutete seit vielen Jahren für der Alten Musik zugewandte Musiker die möglichst textgetreue Realisierung einer überlieferten Partitur. Das geschah vor dem Hintergrund einer historisch informierten Musizierweise, einschließlich Instrumentation, Ornamentik und Stimmungsarten.
Seit etwa zwei Jahrzehnten hat man nun begonnen, den Umgang mit der Aufführungspraxis weiterzufassen. Studium und Erarbeitung historischer Kompositionsweisen und Improvisation haben den führenden Künstlern der Alten Musik neue Einsichten beschert. Das betrifft insbesondere die Musik des 16. und 17. Jahrhunderts. In diesem sich ausdehnenden Umfeld entstehen heute frei ornamentierte oder anders instrumentierte Versionen alter Werke, Einzelaufnahmen und ganze CDs sind dabei der Improvisation gewidmet. Ferner werden zusätzliche Instrumentalpartien für einzelne Lieder oder sogar für ganze Opern neu komponiert.

Ein solches Eintauchen in den historischen Kontext und dessen sinnvolle Neubelebung gehen somit einen Schritt weiter als es die bloße Wiedergabe eines überlieferten Textes vermag.
Wenn die Einsichten, die auf diesem weiterführenden Weg gewonnen wurden, nicht nur auf Alte Musik angewandt, sondern für neue Kompositionen benutzt werden, darf man sicher von Neuer Alter Musik sprechen. Diese Neue Alte Musik bietet Zugang zu wichtigen Aspekten der historischen Aufführungspraxis, die bei der Arbeit mit historischen Quellen offensichtlich nicht vorhanden sind: die Kompatibilität zwischen Komposition und Ausführenden, die Mitwirkung des Komponisten im Prozess, sowie das spezielle Gefühl von Ausführenden und Zuhörern, etwas zu erleben, das nie zuvor gehört wurde.

„Joseph“ ist solch ein Werk Neuer Alter Musik. In seiner Gesamtanlage und musikalisch gesehen, wurde es inspiriert durch die ersten im „stile rappresentativo“ komponierten Stücke, welche zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstanden sind, vor allem durch die Musik von Emilio de’ Cavalieri.
In Widmung und Vorwort zu seinem Werk „Rappresentazione di Anima e di Corpo“ (1600) berichtet der Herausgeber, dass der Komponist
„[…] ihn hat wagen lassen, einige dieser einzigartigen und neuen musikalischen Kompositionen zu veröffentlichen. Sie wurden in Anlehnung an jenen Stil geschrieben, den die alten Griechen und Römer auf ihren Bühnen und im Theater verwendet haben sollen, um das Publikum durch verschiedene Emotionen zu bewegen […] als da sind Mitleiden und Glück, Weinen und Lachen und anderes mehr.“

Weitere Anregungen zu “Joseph“ entstammen den Werken mehrerer Wegbereiter des „neuen Stils“ aus dem ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts, nämlich Peris und Caccinis Kompositionen der „Euridice“ (Florenz), Marco da Gaglianos „La Dafne“ und Monteverdis „Orfeo“ (Mantua). Alle diese Werke – wie auch „Joseph“ – haben zum Ziel, den alten, dramatischen Geschichten mit Hilfe der Musik mehr Gewicht zu verleihen und so die Zuhörer zu bewegen. Eben dieses Ziel ist trotz des grundsätzlichen Unterschiedes zwischen den Texten von „Joseph“ und den genannten weltlichen Dramen, welche alle auf der griechischen Mythologie beruhen, als Prinzip analog angewandt. Kompositorisch gesehen beruht „Joseph“ vor allem auf Cavalieris „Lamentationen für die Heilige Woche“, welche vermutlich kurz vor 1600 komponiert wurden. Die verwendeten Texte stammen aus dem Alten Testament und beinhalten die frühesten erhaltenen geistlichen Monodien. „Joseph“ folgt diesen Vorbildern und wurde für fünf Singstimmen mit Basso continuo geschrieben und wechselt zwischen Chören, Duetten und Soli.

Angeregt durch in der Renaissance gebräuchliche Kompositionsarten zeigt sich „Joseph“ als auf der historischen Lehre vom Wechsel zwischen harten und sanften Affekten und auf deren musikalischen Umsetzung beruhend. Kontrapunktisch gesehen werden – hierin Cavalieris Musik vergleichbar – die traditionelle Musiksprache des 16. Jahrhunderts und die neue „seconda prattica“ miteinander verbunden. Das gilt für die polyphonen und die monodischen Teile gleichermaßen. Die Instrumentalstücke in „Joseph“ basieren vornehmlich auf der instrumentalen „sinfonie“, die sich in den berühmten Florentiner „Intermedii“ (1589) finden (eine von Cavalieri geleitete Veranstaltung mit Sinfonien von Malvezzi), und auf anderen zeitgenössischen Quellen.

Der Text zu „Joseph“ stammt aus dem Alten Testament und ist in originalem Hebräisch belassen. Die Verknüpfung hebräischer Texte mit abendländisch-christlicher Musiksprache kennt man schon im Italien des 17. Jahrhunderts. Salomone Rossi, jüdischer Musiker und Monteverdis Kollege am Mantuaner Hofe, komponierte nebst weltlicher Musik wie Madrigalen und Instrumentalstücken auch hebräische Gebete und Psalmen in der christlich geprägten Musiksprache seiner Zeit (Hashirim asher liShlomo, Venedig 1622/23; zu hören mit den “Profeti della Quinta“ auf Pan Classics 2009 und Linn Records 2013).

Die biblische Geschichte Josephs inspirierte Künstler aller Epochen: Der russische Schriftsteller Leo Tolstoi sah in der Josephs-Geschichte eine der großartigsten Erzählungen aller Zeiten. Er gestand, bei jedem neuerlichen Lesen davon zu Tränen gerührt zu sein. Die biblische Geschichte wurde zur Grundlage von Thomas Manns Meisterwerk „Joseph und seine Brüder“ (entstanden zwischen 1926 und 1943). Andrew Lloyd Webber bearbeitete Anfang der 1970er die Geschichte für sein Musical „Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat“, welches sich bis heute weltweiten Erfolges erfreut. “Joseph“ setzt die eindrückliche Tradition von Werken, die durch die Josephs-Geschichte inspiriert wurden, fort; das Besondere ist aber hier der Vortrag des Stückes in der Originalsprache. Zu den Schönheiten der Genesis gehört die enge Verbindung von Erzählung und einzigartiger Sprache. Anders gesagt, ist der Gebrauch des Hebräischen gerade an entscheidenden Schlüsselpunkten der Erzählung untrennbar verbunden mit dieser selbst.

Es fließen hier unterschiedliche Schichten der Vergangenheit – kulturell, religiös, künstlerisch und sprachlich – ineinander; eine Vergangenheit, die sich als überaus tiefer Brunnen erweist. „Joseph“ ist keineswegs der erste Versuch, in historischer Tonsprache zu komponieren. Es scheint jedoch das erste Mal zu sein, dass die Musiksprache des 17. Jahrhunderts für eine Komposition dieses Maßstabes benutzt wurde. Natürlich wurden dabei sinnvolle Instrumentation und allgemein ein angemessener Umgang mit der Aufführungspraxis berücksichtigt.
So will „Joseph“, hierin den Vorbildern des 17.Jahrhunderts ähnlich, ganz einfach eine wunderbare, alte Geschichte im neuen Gewande schöner Musik präsentieren und auf diese Art und Weise das Mitempfinden der Hörer erwecken.
Elam Rotem