Der Leipziger Synagogalchor ist ein Unikat in der deutschen Musikgeschichte. 1962 wurde er von Werner Sander, dem aus Breslau stammenden Kantor der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig, gegründet. Sander wollte die Chorwerke, die vor der Schoah in den liberalen Synagogen Mittel- und Osteuropas gesungen wurden, vor dem Vergessen bewahren und auch außerhalb der religiösen Praxis in Konzerten aufführen.
Für jiddische und hebräische Lieder komponierte er Chorarrangements und begründete damit eine bis heute reichende Chortradition. Der von Beginn an aus nichtjüdischen Sängerinnen und Sängern bestehende Laienchor stand bis zur Wende unter der Trägerschaft des Verbandes der jüdischen Gemeinden in der DDR. In den zwei deutschen politischen Systemen eroberte er sich einen festen Platz in der Chorlandschaft, der doch mit dem besonderen Repertoire und der Botschafterfunktion für die lebendige Erinnerungskultur ganz und gar nicht alltäglich war.
Nach Sanders Tod entwickelte sich das Ensemble unter der Leitung von Kammersänger Helmut Klotz und ab 2012 unter der Leitung von Ludwig Böhme zu einem national und international angesehenen Konzertchor. Seit 2022 hat Philipp Goldmann die Leitung inne. Auslandsreisen führten u. a. nach Polen, Tschechien, Brasilien, Südafrika, in die USA und dreimal nach Israel, zuletzt nach Wien und Paris.
Der Chor singt in Kirchen und Synagogen, in Konzertsälen, auf Lesebühnen und in Schulen, bei Tagungen, Gedenkveranstaltungen, jüdischen Chorfestivals und Kulturtagen. Interreligiöse Projekte gehören ebenso zum Programm wie die Aufführung seltener chorsinfonischer Werke. Seit 1980 gestaltet der Chor den Gedenkgottesdienst zum 9.11.1938 in der Leipziger Thomaskirche musikalisch aus. 2017 wurde das Ensemble mit dem Obermayer German Jewish History Award geehrt.
Auf Initiative des Chores wurde die „Revitalisierung synagogaler Chormusik des 19. und 20. Jahrhunderts Mittel- und Osteuropas“ 2020 als gutes Praxisbeispiel in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes eingetragen. Das Ensemble widmete sich in den letzten Jahren insbesondere der jüdischen Musikgeschichte seiner Heimatstadt mit Komponisten wie Samuel Lampel, Salomon Jadassohn und Herman Berlinski.